Interview mit Cybu Richli & Fabienne Burri (C2F)
Woher kennt ihr euch?
F – Cybu hat einen Jahrgang über mir in Luzern studiert.
Wie begann eure Zusammenarbeit?
C – Ich habe einmal an einem Wettbewerb für ein Buchprojekt für die Hochschule Luzern teilgenommen. Da ich aber einen Fahrradunfall hatte, bei dem ich mir meine Hände verletzte, brauchte ich jemanden, der mir meine Hände ersetzt. So kam es zu einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Fabienne und mir.
Wie würdest du diese beschreiben?
F – Meistens ist es so, dass einer von uns mit dem Entwurf beginnt, und der andere dann weitermacht, dann geht es – ping pong – hin und her. Wenn es schnell gehen muss, dann arbeiten wir auch mal getrennt, aber in der Regel entscheiden wir immer beide gemeinsam oder diskutieren, bis es wirklich gut ist. Wir sind natürlich nicht immer gleicher Meinung. Dann arbeiten wir eben gemeinsam so lange daran, bis wir beide finden, dass es stimmig und perfekt ist.
Sprecht ihr beide mit dem Kunden?
C – Nein, einer von uns kommuniziert vor allem mit dem Kunden und bespricht das Admini-strative. Präsentationen halten wir aber immer gemeinsam.
Wird man als Frau beim Kunden anders wahrgenommen?
C – Das ist eine interessante Frage. Wir haben bei einigen unserer Kunden den Eindruck, dass sie mit Frauen besser zusammenarbeiten, dass die Chemie besser stimmt. Zum Beispiel bei Frauen, also von Frau zu Frau.
Wie geht ihr mit diesem Unterschied um?
C – Bewusst. Wenn ich merke, dass es besser funktioniert zwischen Fabienne und einem Kunden als zwischen mir und ihm, dann ziehe ich mich zurück. Oder auch umgekehrt.
Ist das komisch für dich?
F – Das ist genauso komisch für Cybu wie für mich. Es gibt auch Situationen, wo Außenstehende denken, Cybu wäre der Chef. Wahrscheinlich weil es ein Mann ist. Das ist dann sehr komisch. Aber insgesamt finden wir das ganz gut und sehen das als Vorteil, dass wir beides sind, Mann und Frau.
Intern seid ihr beide also gleichberechtigt, es gibt keine Hierarchien?
C – Ja, genau.
Fabienne, warum gibt es deiner Meinung nach weniger Frauen an der Gestalterspitze als Männer?
F – Das habe ich mich ehrlich gesagt auch schon gefragt. Im Studium sind es meistens mehr Frauen …
Ja, mehr Frauen machen einen Abschluss, die Männer haben aber mehr Ruhm.
C – Ich habe eine Erklärung dafür.
F – Hast du?
C – Ich habe eine Vermutung. Bei uns ist das so – Fabienne hat einen viel besseren Überblick. Ich weiß nicht, ob das generell so ist. Ich habe das Gefühl, dass Frauen sehr gut den Überblick behalten. Das kann ich überhaupt nicht. Ich kann mich sehr gut in eine Arbeit vertiefen, auf etwas fokussieren und vergesse alles drum herum.
F – Aber was hat das jetzt damit zu tun?
C – Ich denke eben, dass Männer einfach viel fokussierter an einem Projekt arbeiten und man das dann als Qualität sieht.
Und du Fabienne, siehst du das auch so?
F – Ich habe noch eine andere Erklärung. Kolleginnen oder Freundinnen aus anderen Berufen denken viel mehr über sich selbst nach und sind dann auch unsicherer. Männer gehen einfach lockerer an die Sache ran, hinterfragen nicht immer alles und zweifeln nicht immer an allem. Das ist so ein Frauending. Warum das so ist, weiß ich nicht.
Was sagst du zu Cybus These im Hinblick des Überblicks?
F – Das stelle ich bei uns, aber auch bei Bekannten fest. Wieder so ein Frauending – das ich als großen Vorteil sehe. Dennoch – Frauen trauen sich einfach weniger zu!
Und gehen dadurch weniger an die Öffentlichkeit?
F – Ja. Einige meiner Studienkolleginnen wollten auch Grafik machen, waren ehrgeizig, hatten aber nicht unbedingt den Drang, groß rauszukommen. Sie wollten einfach ihr Ding machen – auch ein Grund. Sicherlich spielt auch die Familienplanung eine Rolle. Fünf Jahre – und dann ist es eh vorbei. Heiraten und Kinder. So traditionelle Rollenvorstellungen können auch bremsen.
Kommen wir zu einem anderen Thema – Eine Orangensaftpackung – ist das Design oder nur Gestaltung?
F – Ich würde eigentlich gerne mal eine Orangensaftpackung gestalten … Eigentlich schade, dass man hier unterscheidet. Jedem Produkt oder Objekt sollte man den Anspruch entgegenbringen, es gut zu gestalten. Wer aus dem Studium kommt, findet Kulturgrafik gut – und das andere nicht so gut. Andererseits merken wir, dass kommerzielle Auftraggeber meinen, wir würden sehr künstlerisch arbeiten. Das finden wir dann auch wieder komisch.
Wann ist eine Grafik nur selbstgefällige Gestaltung oder gar Kunst? Wann geht es um Informationen?
C – Wir machen visuelle Kommunikation. Dabei geht es immer um das Kommunizieren. Wir machen keine Kunst. Unsere Arbeiten haben immer eine Funktion – die Vermittlung von Informationen.
F – Wir mögen es nicht so gerne, wenn wir als Künstler bezeichnet werden. Es gibt ja Menschen, die nicht so genau wissen, was wir eigentlich tun. Für die meisten sind wir dann eben so etwas wie Künstler.
Wie erfahren eure Kunden, was ihr seid?
C – Wir führen ja immer einen Dialog mit einem Kunden. Und das ist auch schon
entscheidend. Der Dialog selber ist ein wichtiger Bestandteil des ganzen Prozesses. Man ist ja im Dienst eines Kunden – und das hat dann nichts mehr mit Kunst zu tun. Bei großen Konzernen gibt es ja immer Pitches. Wo sie eigentlich gar keinen Dialog führen wollen. Die haben eine Aufgabe und wollen eigentlich eine fertige Lösung. Sie überlegen sich gar nicht, was eigentlich das Problem ist und was das lösen könnte.
Womit verdient ihr euer Geld?
C – Unsere Einstellung ist – Gute Arbeit kostet Geld. Es spielt daher keine Rolle, ob wir an künstlerischen Projekten oder kommerziellen Projekten arbeiten. Es gibt selbstverständlich Ausnahmen, wie z.B. eigene Projekte, die wir selbst lancieren. Hier rechnen wir natürlich anders als bei einem Kundenauftrag. Wenn der Kunde ein »toller Kunde« ist, es eine gute Zusammenarbeit gibt oder uns das Projekt stark interessiert, dann kalkulieren wir ebenfalls anders. Prinzipiell arbeiten wir aber nicht gratis.
Welche Jobs bevorzugt ihr?
F – Es gibt viele Gestalter, die zwischen Geldaufträgen und tollen Kulturjobs unterscheiden. Wir machen das bewusst nicht. Unserer Meinung nach müsste und muss jeder Job, egal ob Kultur oder nicht bezahlt sein. Jeder Job muss aber auch von uns als Gestalter gleich ernst genommen werden. Auch im Bereich der kommerziellen Jobs kann man etwas wirklich Gutes machen. Wir nehmen alle uns gestellten Aufgaben gleich ernst.
Gibt es Aufträge, die ihr ablehnen würdet? Wenn ja, welche sind das?
F – Ja, es gibt sicher Dinge, die wir ablehnen oder die wir auch abgelehnt haben. Wir stellen uns immer die Fragen – Stimmt das Projekt? Interessiert es uns? Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Kunden? Wie sieht das finanziell aus? Das sind die drei Punkte, die man beachten sollte, um eine Entscheidung zu treffen. Ich finde, wenn zwei Punkte davon nicht stimmen oder nicht passen, dann muss man sich überlegen, ob man einen Job annimmt oder eben ablehnt. Ansonsten riskiert man, die ganze Zeit frustriert zu sein – und das bringt es ja auch nicht.
Gehen Konzerne respektloser mit gestalterischer Arbeit um?
F – Das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, es ist eher eine andere Herangehensweise. Es ist ja nicht nur Gestaltung bei solchen Auftraggebern. Da geht es ja immer um das ganze Kommunikationskonzept. Das führt meistens dann dazu, dass die Gestaltung dann etwas herabdegradiert wird. Das können wir Gestalter ja auch nicht alleine lösen, sondern immer nur im Verbund mit anderen. Es gibt schon Situationen, wo wir merken, dass kein echter Dialog gewünscht ist. Wo einfach nur gesagt wird, Klick links, dann klicken wir eben links …
Lehnt ihr das dann ab? Wenn abzusehen ist, dass keine Kommunikation entstehen kann?
C – Ja.
F – Wir hatten mal eine Anfrage, da hat jemand angerufen, ee meinte »Guten Tag, ich möchte ein blaues Logo. Können Sie mir das machen, und wieviel kostet das?« Und ich war dann so perplex. Wieso blau? Und wieso überhaupt? Vielleicht sollten wir uns mal zusammensetzen? Er meinte »Das spielt keine Rolle. Ich möchte ein blaues Logo. Wieviel kostet das?«Und ich dachte »Nein das möchte ich nicht machen, kein blaues Logo.«
C – Es gibt auch Anfragen wie – Es sollte ein Faltplakat gestaltet werden. Es wurden dann fünf großartige Büros aus ganz Europa angefragt. Es sollte ein Wettbewerb sein.
F – Ja, diese fünf Büros machen Plakate, und der Auftraggeber wählt dann ein Plakat aus.
C – Genau und derjenige, der gewinnt, bekommt ganz wenig Geld. Das war auch noch komisch. Es war überhaupt nicht die Frage, ob eines der Büros das kann, alle hätten das gekonnt und wunderbar gelöst. Es war ja nur ein Faltplakat. Es hätte sicher auch fünf tolle Lösungen gegeben.
Wie habt ihr reagiert?
F – Wir haben uns dann auch entschieden, nicht mitzumachen. Wir haben uns zwar sehr geehrt gefühlt, dass wir mit den anderen gleichzeitig angefragt wurden und mit ihnen auf einem Level gesehen werden.
C – Ja es war eine wirklich komische Situation. Dann wünsche ich mir immer, dass alle Grafiker auf die gleiche Weise reagieren. Es macht unseren Markt kaputt, wenn wir an solchen Sachen teilnehmen.
Wie wurdet ihr als Büro C2F bekannt?
F – Sich zu etablieren, ist immer schwierig. Egal, wieviel Erfahrung man hat. Wir hatten das Glück, dass wir für unsere frühen Projekte viele Auszeichnungen entgegennehmen durften und somit schnell ein gutes Netzwerk aufbauen konnten. Das war sehr wichtig und hilfreich für uns. Aber ich denke, grundsätzlich verlangt das Selbstständigsein einfach sehr viel Geduld und Durchhaltevermögen.
Wie ist das mit eurer Forschung?
C – Unsere Forschungsprojekte sind oft visualisierte Skizzen und Ideen, eher eine Art »Skizzenstürme«.
F – Aus dieser Forschung ziehen wir unsere Inspiration. Manchmal geraten wir an einen Punkt, an dem wir merken, dass wir mal wieder etwas Frisches und Freies, ja Verrücktes ausprobieren müssen. Und dann machen wir das einfach. Das ist eigentlich das Spannendste an unserem Beruf. Wir haben die Möglichkeit, immer neue Diskussionen zu führen und in neue Themen einzutauchen. Wir kriegen eigentlich immer eine Art Gratisausbildung von verschiedensten Fachleuten zu unterschiedlichsten Themen. Deshalb ist es für Designer enorm wichtig, ein breites Allgemeinwissen mitzubringen und ein starkes Interesse in alle Richtungen und verschiedenen Bereichen zu haben. Man ist ja ständig mit Neuem konfrontiert.