Interview mit Ralph Schraivogel

Wie stellst du dich vor?

Ich bin Grafiker, und ich sehe mich als visuellen Gourmet. Ich konsumiere mehr mit den Augen als mit dem Mund, was ich sehe, ist wie Nahrung für mich.

Du wolltest Kunst studieren, warum bist dann du Grafiker geworden?

Ich bin zufällig zur Grafik gekommen, da es in Zürich keine Kunstakademie gab. Der Unterschied ist für mich nicht so groß. Kunst kommuniziert, Grafik kommuniziert und beides hat hoffentlich hohe Ansprüche an sich selbst.

Wie hat die Hochschule deine Entwicklung beeinflusst?

Ich wurde im klassischen Swiss Style unterrichtet. Wir haben uns damals gegen die Strenge in der Lehre und in der Grafik aufgelehnt. Ich suchte etwas komplett anderes, abseits der klassischen Rastergrafik, um mich auszudrücken. Die Ordnung der Typografie dient mir jedoch als Ausgangsbasis, in eine für mich malerische Unordnung überzugehen.

Was kennzeichnet deine Arbeit?

Ich kann meinen Beruf autonom ausüben und habe keine Vorgesetzten. Ich organisiere mich selbst und tue soweit wie möglich, was ich will und was ich für sinnvoll halte. Und ich produziere gerne etwas mit den Händen – bin quasi ein Handwerker – sowohl in der Grafik als auch sonst. Ich arbeite gerne im Garten oder als Möbelschreiner. Meine Affinität zum Printbereich rührt wohl auch daher.

Du gestaltest hauptsächlich Plakate, warum?

Plakate sind für mich die ursprünglichste und klarste Aufgabe im Grafikdesign – Bild und Text werden zu einem Kunstwerk. Ausserdem lebe ich – rein gefühlsmässig – von der Plakatgestaltung.

Gibt es eine Methode oder einen Prozess, der deine Arbeiten verbindet?

Ich versuche, bei jedem Auftrag eine ganz neue Herangehensweise und Lösung zu finden, nach dem Motto, dass ich nur einmal ein Plakat zu diesem Thema gestalten werde. Meine Arbeiten sind daher lange Prozesse, in denen ich viel ausprobiere, verwerfe und stets in neue Richtungen denke.

Welchen Stellenwert haben für dich die nationalen und internationalen Preise, die du für deine Plakate gewonnen hast und immer noch gewinnst?

Preise waren immer auch verbunden mit Reisen zur Preisverleihung. So konnte ich viele internationale Kontakte zu Kollegen aufbauen.

… und was bedeuten sie dir nach so langen Jahren im Beruf?

Ein Preis ist eine angenehme Bestätigung. Ich arbeite alleine und investiere viel Zeit, da entstehen oft Selbstzweifel gegenüber der eigenen Arbeit.

Du lehrst auch. Aktuell an der Hochschule Luzern und an der Schule für Gestaltung in Basel. Was reizt dich an dieser Art von Arbeit, also an der Vermittlung?

Ich teile meine Freude und mein Fachwissen in der Grafik sehr gerne mit den Studenten. Design hat für mich mit der Gesellschaft zu tun. Ich freue mich, wenn meine ehemaligen Studenten Erfolg haben, auch wenn sich das oft erst später herausstellt – und nicht im Moment des Unterrichtens.

Inwieweit hat sich das Verständnis von Design seit Beginn deines Studiums bis heute verändert?

Ambitionierte Designer mussten immer kämpfen, um durchzusetzen, woran sie glaubten und woran sie Spass hatten. Heute verdienen sie vielleicht weniger, aber das ist nebensächlich. Als Broterwerb lohnt sich der Beruf des Grafikdesigners nicht mehr, die Arbeit wird oft weniger geschätzt und als Dienstleistung viel schlechter bezahlt.

Welche Rolle spielt der Grafikdesigner deiner Meinung nach?

Als Akteure reagieren wir auf die Gesellschaft.

Welche Herausforderungen bestehen heute für junge Gestalter?

Sie müssen sich mit Qualität gegen Auftraggeber und Arbeitgeber, gleichzeitig aber auch gegen die grosse Konkurrenz durchsetzen.

Was bedeutet Respekt in Bezug auf deine Arbeit?

Für mich bedeutet es, meine eigene Arbeit ernst zu nehmen. Ich kann nicht davon ausgehen, dass jemand anderes sie ernst nimmt. Er verpflichtet mich, das Bestmögliche zu machen.

… und wie siehst du Respekt im Bezug auf den Beruf des Designers?

Wir müssen die eigene Arbeit wertschätzen. Als Designer sind wir mitverantwortlich für den Respekt, der uns entgegen gebracht wird, beispielsweise von Seiten der Auftraggeber. Ich selbst mache eigentlich nie bei unbezahlten Pitches oder gering bezahlten Wettbewerben mit. Das schädigt unseren Beruf. Ich mache auch kein Plakat in einem bestehenden Corporate Design.

Worin siehst du heute deine berufliche Herausforderung?

Es ist mir wichtig, stets Neues zu entdecken und mich selbst zu überraschen, zu unterhalten und mich dabei nicht zu wiederholen.

Während des Vortrags sagtest du: In der Gestaltung braucht es einiges mehr als Respekt. Was braucht es denn deiner Meinung?

Es bedarf Mut, Verstand und Selbstkritik, ästhetische Empfindung und Empathie, Sensibilität, Verantwortung, Erfindungsgeist und Durchsetzungsvermögen,
Ausdauer und natürlich Freude. Und eben unendlich viel mehr.

Vielen Dank für das Gespräch

Das Gepräch wurde am 26. April 2012 in Hamburg geführt.